Donnerstag, 1. November 2012

Der Apfelbaum

Der Apfelbaum war nun zwölfjährig und trug richtig schöne Äpfel. Jeder Ast war voll mit leuchtend farbigem Obst. Das Wetter war gut und das Obst musste einfach nur geerntet werden.

Ich stand vor dem Apfelbaum und erinnerte mich an all die Mühen und die Energie und Aufmerksamkeit, die ich dem Baum in den zwölf jahren schenkte. Der Schweiss beim Graben des Standortes für das Einpflanzen des damals noch kleinen Bäumchens. Immer wieder mussten neue Stützpfähle eingerammt werden, damit der kleine Baum bei einem Sturm nicht einfach umfiel. War er von Ungeziefer befallen, musste er gepflegt werden. War es trocken, musste er gegossen werden. Und im Spätwinter folgte jeweils der Schnitt - bei eisiger Kälte.

Und nun zeigte mir der inzwischen doch recht kräftige Baum als Dank seine ganze Krone voller Aepfel. Wer würde da nur die Hälfte der Aepfel ernten? Wer würde sagen: "2 Kisten Aepfel sind genug"?

Wer?

Ich habe es nicht getan.

Bei mir war es nicht der Apfelbaum, es war die Firma von mir und meiner Frau, die in den zwölf Jahren wunderbar gediehen ist. Das Wachsen des Apfelbaumes kann man vergleichen mit einer Umsatzsteigerung von 500% (!) in den letzten 7 Jahren.

Und nun hingen sie alle da, die Aufträge und Projekte. Man musste sie nur noch ernten und sie waren der üppige Ertrag für all den investierten Fleiss, die Schweisstropfen, die langen Arbeitsnächte. Endlich folgte die Entlöhnung für all die Entbehurungen und die Vorinvestitionen.

Nein !

Nein ich wollte immer nur so viel arbeiten, dass es grad reicht und dass wir einweig vom Haus abbezahlen können. Es war nicht mein Ziel, in der Arbeit zu ersticken und Geld anzuhäufen - dafür aber mich selber zu vernachlässigen. Und dennoch bin ich reingerutscht.... "das machen wir noch, und das auch noch und dieses Projekt realisieren wir auch noch".

Und es wäre vielleicht sogar gegangen - aber es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht planen und die hat man nicht im Griff. Man sagt, dass das Schicksal immer dann zuschlägt, wenn man sich am sichersten fühlt. Und es hat hart zugeschlagen. Mein Körper und meine Seele haben rebelliert gegen das alles, was ich mir angetan habe. Wie ich mich vernachlässigt habe, wie ich nicht mehr ich selber war.

Nun ist der Baum geerntet, die schönen saftigen Äpfel sind weg. Und mir sind ein paar restliche Aepfel geblieben, die ich noch vom Boden aufgelesen habe. Der Herbst ist eingekehrt und der Winter muss erst mal überstanden sein. Dazu passend die Musik von Erik Satie.

Aber es wird weitergehen, es werden neue Aepfel wachsen.
Ich darf die Zuversicht nicht verlieren.
Es werden neue Türen aufgehen.



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