Dienstag, 23. April 2013

Was man nicht brauchen kann

Ich habe eine Einladung zu einem Geburtstagsfest erhalten.
An und für sich lieb gemeint... ich habe die Einladung auf facebook zuerst gar nicht gesehen.

Hier der chronologische Ablauf der Konversation.


Salü X
Habe die Einladungen gar nie gesehen.. sorry. Danke für die Einladung - ich bin immer noch auf Sparflamme. Habe seit gestern wieder etwa 16h gepennt. Deshalb lieber keine Anlässe.
Grüsse
Y


Ciao Y
Ach so, Du glaubst tatsächlich das es Dich weiterbringt, wenn Du zu Hause vor Deinem Windows-Krüppel Dich über Windows ärgerst - es aber niemals zugeben willst, gleichzeitig Dich über Politik, Wetter und alles rund herum ärgerst welches ein Bit von Deiner Meinung abweicht? Schieb' Dein Arsch aus der Bude, bring' dich unter Menschen, nimm' an Events und Apéro's teil und vor allem an Geburtstagspartys an denen Du gerne gesehen wärst! Heilandsack, das kommt sonst nicht gut! Gib Dir einen Ruck, sag mir nicht zu, aber überrasche mich - es würde mich (uns) freuen! Und wer weiss, vielleicht müssen wir am Freitag-Abend gemeinsam das Zelt festhalten wenn das erste Gewitter über uns hereinzieht, whatever.. KOMM!
Gruss
X


Salü X
Danke für Deine Nachricht, welche gute gemeint ist, das weiss ich. Und danke für Dein Engagement.
Es ist aber eben genau NICHT die Gesellschaft ist, die jemand mit Erschöpfungsdepression braucht und sucht. Auch wenn es gute alte langjährige Verbindungen sind.
Ja, es bringt mich wirklich weiter, in Ruhe über die Dinge nachzudenken, sie kritisch zu hinterfragen und dann je nach dem weiter zu verfolgen oder eben nicht.

Geld ist das eine .... wenn man - wie ich - im Spätsommer 2012 mal so rasch 2 Grossprojekte von insgesammt ca., CHF 600'000 über Bord werfen muss, dann macht man sich schon so seine Gedanken. Vor allem, wenn man zu 50% selber daran Schuld ist weil nicht auf sich selber und seinen Körper gehört hat. Wenn man es zB nur noch mit Temesta geschafft hat, an Termine zu gehen oder krasse Supportfälle zu lösen.
Das Andere - nebst dem Geld - ist aber eben herauszufinden, wie man NICHT mehr in genau das selbe Fahrwasser gerät. Dass man nicht mehr für alle alles machen "muss" - nur für sich selber nichts. In meinem Leben kamen immer zuerst alle anderen. Wenns den anderen gut ging, erst dann gings mir gut.
Nun liegt der Fokus darauf, dass es zuerst mir gut gehen muss, erst dann kann ich für die anderen schauen. Es bringt nichts, anderen zu helfen und dabei selber drauf zu gehen. Oder eben an Anlässe zu gehen, wenn man selber lieber im Wald oder zuhause wäre. Das hat nichts mit den Anderen zu tun, sondern nur mit einem selber.

Ja, es hängt damit zusammen, auch im Beruf Dinge "abzuschneiden", die seit Jahren nur nerven. Projekt1 zum Beispiel. Baldinger & Baldinger lassen grüssen. Ebenso der Balmer. Diese Werbe-Clowns bin ich nun hoffentlich auf Lebzeiten los.
Auch andere Projekte wie S. oder der SL., wo ich unglaubliche Supportleistungen erbracht habe..... und als ich ihn für Architekturleistungen anfraget (sind ja immerhin nur so gegen 90'000 CHF....) bekam ich auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht einmal eine Antwort! Das habe ich dann von einem Tag auf den Anderen abgeklemmt. Punkt ende aus.
Ich muss mir meinen eigenen Weg suchen. Andere kommen bei einer Erschöpfungsdepression nach 6 Monaten erst aus der Klinik.... ich arbeite schon wieder 60%, weil ich im Kopf (nicht körperlich) eine Kampfsau bin.
Und ich werde es wieder schaffen - aber nicht in den alten Geleisen.
Liebe Grüsse
Y


Lieber Y
Was soll man da noch sagen? Ich sehe Widersprüche ohne Ende, Du machst Dir das Leben unnötig schwer und ganz sicher ist kein einziges Geburifest auf dieser Erde für Dein "Problem" verantwortlich. Du machst Dir Gedanken, Du willst Dir Zeit nehmen um sicher zu gehen was Du willst, obwohl Du eigentlich schon genau weisst was Du willst. Schon wieder ein Widerspruch! Du willst und musst als Geschäftsführer Geld verdienen ohne für Kunden zu rennen? Das GIBT ES NICHT - schon gar nicht mehr in unserer Zeit.

In einem stimme ich Dir jedoch 1000% zu, man wähle die seltenen guten Partner sorgfältig und entledige sich der unfähigen (Baldinger, Balmer usw. - in Deinem Falle). Ich habe meine Lehren in den paar wenigen Jahren auch schon gemacht... am besten macht man alles selbst - doch wozu beschäftige ich dann inzwischen 12 Mitarbeiter? Ich habe mir auch schon überlegt, meine IT-Firma zu verkaufen (da teils sehr nervig und weil ich da am meisten sinnlos - aber bezahlt - renne!). Aber eben, ich renne und werde dafür bezahlt! In der IT-Firma zu 200 Franken pro Stunde - andere arbeiten dafür 10 Stunden - ich bin lieber mal flexibler und verdiene dafür 200 Franken pro Stunde statt das ich 10 Stunden à 20 Franken arbeite! Du nicht?

Jammern wir nicht auf hohem Niveau? Hast Du nicht gerade ein neues Haus gebaut? Ich bleibe dabei, schieb' Dein Arsch aus dem Haus, komm' an meine Party - dies würde Dir auch der überteuerte Psycho-Heini raten - garantiert! Greez


Salü X

Ein Pfläschterli drauf - und ein paar Tage später ists dann wieder gut. Oder den Arm ein bischen eingipsen und nach ein paar Wochen ist der Bruch geheilt. Wenns so einfach wäre, bräuchte es keine Burnout-Kliniken, keine Therapien, keine Psychologen und noch viel weniger Literatur drüber. Und man könnte manches Leid vermeiden.

Ruhe ist wohl das Einzige, das hilft. Sich Zeit nehmen und sich Gedanken machen über das Leben, die wichtigen Dinge und Zusammenhänge unseres Daseins. Was ist wichtig im Leben - was nicht. Dinge, über die man in der Hektik des Tagesgeschäfts eigentlich nie nachdenkt. Die heutige Gesellschaft verlangt im Beruf Höchstleistungen und man muss natürlich (vermeintlich) überall dabei sein. Event hier Apero dort, Häppchen am anderen Ort.

Und privat gehts dann meistens im gleichen Stil weiter. Bei vielen bleibt im Leben keine Minute unausgefüllt. Wenigstens dort konnte ich mich erfolgreich meiner Ueberzeugung widmen und mir zumindest etwas Zeit für mich und Daniela freihalten. Die schönsten Wochen waren immer die, wo ich keinen Termin hatte. Oder im Sommer, wenn die halbe Schweiz weg war und die Städte leergefegt waren. Und dann folgte die Enttäuschung, wenn Anfang August die "Roboter" wieder zurückkamen - ich dachte immer: Ach wie schade, wärt ihr nur in den Ferien geblieben...

Selbstverständlich habe ich Widersprüche in mir. Wer schon nicht? Aber genau diese gilt es zu akzeptieren und ins Leben zu integrieren. Seit der Krise lese ich Bücher, ich male, ich schreibe. Dinge für die ich mir vorher nicht im Entferntesten Zeit genommen hätte. Aber wer sich für etwas nicht Zeit nehmen will, der wird halt dann "zwangsmässig" dazu gebracht, sich darum zu kümmern. Spätestens dann, wenn der Körper sagt. Niente, so gehts nicht mehr weiter.

Es ist interessant, wie viele Menschen sich plötzlich öffnen, wenn ich von meiner Erschöpfungsdepression erzähle. Dann haben sie plötzlich früher selber sowas erlebt gehabt oder in der Verwandtschaft kennen Sie jemanden und so weiter. Nicht dass man sich dann in diesen leider gemachten Erfahrungen suhlt - aber man merkt dann, dass man nicht ganz alleine ist und verstanden wird. Ich selber habe früher Leute mit Depression oder Burnout als "nicht belastbar" eingestuft. Habe gedacht: "Naja, die kriegen die Kurve im Leben nicht so ganz". Und zack, ist man selber betroffen. So schnell geht das - und man muss seine Meinung revidieren.
Mein tiefster Hass (und es ist wirklich Hass!) auf diese Scheissinformatik, auf den Internetschrott und all den Hardwarekäse ist nach wie vor da. Es gibt kein Arbeitsgebeit das unbefriedigender ist und das wertlosere Sachen produziert, als dieses Segment. Ich habe mir echt überlegt vollkommen umzusteigen. Irgend was. Gärtner, Handlanger, Harrassen stapeln. Alles und jedes ist sinnvoller als Informatik und Internet! Aber so langsam kriege ich diese Abneigung auch wieder in den Griff. Das Tüfteln und Entwickeln bildet sich langsam wieder aus. In diesem Bereich bin ich meinem Therapeuten und Daniela extrem dankbar. Sie machten mir immer wieder Mut, zeigten mir Wege und Möglichkeiten auf.

Wenn eines sicher ist, dann dass meine Zukunft anders ausschaut als die Vergangenheit. Beruflich habe ich schon sehr zurückgeschraubt - und werde es noch rigoroser tun. Nein, ich "muss" für keinen Kunden mehr rennen. Wer will, dass ich renne, bei dem packe ich grad zusammen oder stoppe die Auslieferung. Finito fertig aus. Das Leben ist mir zu wichtig geworden. Ich habe in meinem Berufsleben manche Feuerwehrübung gemacht für Deppen, die nicht bis vor die Nase denken konnten. Geschweige denn planen. Diese Zeiten sind vorbei. Meckernder Kunde abhaken, löschen. Nächster bitte!

Das heisst nicht, dass ich auch mal Ueberstunden machen werde, oder jemandem etwas in Kulanz repariere oder ersetze. Absolut nicht. Aber halt nur denen, die es schätzen. Dabei denke ich nicht an Geld, mir gehts nur um die Wertschätzung, dass ich mir für den Kunden speziell Zeit nehme.

Ich denke seit geraumer Zeit in "Ringen". Im Zentrum stehe ich. Wenns mir nicht positiv geht, muss ich mich zuerst um mich kümmern, denn sonst kommts nicht gut. Es muss also mir gut gehen, für mich stimmen. Dann kommt meine Frau. Einen Ring weiter aussen die Töchter und der Sohn und der Bruder von Daniela. Dann kommt lange niemand mehr. Dann die Familie. So weit bin ich nun vorgedrungen, dass ich wieder einigermassen an Treffen teilnehmen kann, solange sie zeitlich in einem sehr engen Rahmen verlaufen. Noch vor wenigen Monaten hat mich nur schon das Einkaufen gestresst. Oder einen Kaffee trinken in einer Gartenbeiz!

Eine Erschöpfungsdepression verändert so ziemlich alles im Leben - und stellt Angehörige und Kollegen vor manches kaum überwindbare "Problem". Das extrem Allerwichtigste ist, dass man sein Leben aktiv ändert und umgestaltet und die Hilfe der Profis annimmt - ebenso die Medikamente akzeptiert. Man muss versuchen daraus das Beste zu machen. Und wenn man sich dauernd vor Augen hält, wie man da mal hineingerutscht ist .... und sich bemüht, auf keinen Fall mehr ein zweites Mal diese Erfahrung zu machen, dann ist ein wichtiger Schritt getan.

Ich hoffe, Dir einwenig Einblick gegeben zu haben, was da so alles abgeht in einem. Mein Verhalten hat nichts mit Trägheit zu tun ("heb mal Deinen Arsch"). Tagtäglich investiere ich eine Unmenge innerer Energie in die Genesung. Andere sind monatelang in der Klinik - ich arbeite immerhin schon wieder 60%. Wenn es mir das Masterboot-Record komplett gelöscht hätte wäre ich immer noch in der Klinik - und müsste dort bleiben. Mir ist bewusster als je zuvor - wie schnell es gehen kann. Deshalb setze ich alles daran, gesund zu werden.

Dies so ein paar Gedanken.
Liebe Grüsse
Y

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