Montag, 8. April 2013

Zeit

Ich habe es schon fast zur Gewohnheit werden lassen:

Montag bis Freitag trage ich eine Armbanduhr. Am Freitagabend aber versorge ich sie im Spiegelschrank - und nehme sie erst am Montagmorgen wieder hervor.

Das Rätsel der Zeit.

Zeit haben, sich Zeit nehmen.

Zeit als Luxusagut.

Kürzlich las ich, dass ein solothurner Regierungsratsanwärter von sich behauptet, dass er "ultralange Arbeitstage" bestens kenne. Er sei belastbar, sei sich das gewohnt. Sitzungen bis Mitternacht - und um 05:30 klingle wieder der Wecker. Mein erster Gedanke: Ein Roboter mit Duracell-Batterien!

In der Tat hätte ich vor nicht allzu langer Zeit noch mit etwas Argwohn auf diesen Mann geblickt. Die Frage auf der Zunge "Wie schafft er das bloss?". Und vielleicht einwenig Neid als gedanklichen Unterton: "Warum schaffe ICH das nicht?".

Heute lassen mich solche vermeintlichen Leistungsausweise kalt. Mein einziger Gedanke ist jeweils nur, dass das prinzipiell nicht möglich ist. Solche Sachen durchzuhalten ist nur möglich:

- über eine begrenzte, kurze Zeit
- wenn man entsprechende Durchhalte-Chemie schluckt
- oder wenn man blufft

Kein Körper hält das auf lange Zeit durch. Und wer es versucht, wer meint cleverer zu sein als sein Körper, der erhält früher oder später die Antwort von ihm.

Seit meinem Zusammenbruch hat Zeit eine ganz andere Bedeutung. Einen ganz anderen Stellenwert. Ich habe zwar nach wie vor oft das Gefühl, dass wenn ich "untätig" bin, dass ich meine Lebenszeit nicht optimal nutze. Doch es ist die andere Art der Dinge, mit denen ich meine Zeit ausfülle.

Ganz bewusst mit der Zeit umzugehen heisst für mich, dass ich Dinge, die ich tue möglichst bewusst tue.

  • Hänge ich Bilder auf, dann hänge ich diese bewusst auf. Nicht einfach nur, weil ich grad kurz mal freie Zeit zwischen zwei anderen Dingen habe.
  • Wenn ich ein Buch lese, dann lese ich bewusst darin, nicht weil mir grad langweilig ist.
  • Wenn ich im Wald laufe, dann versuche ich im Wald zu SEIN, nicht über die Pendenzen nachzudenken.
  • Wenn ich an meiner Wetterstation etwas baue, dann mache ich es mit Freude und bewusst, weil ich das eigentlich gerne mache.
  • Wenn ich eine Pflanze einpflanze, dann mache ich das liebevoll und nicht, weil sie einfach dort hin muss und sie dort grad passt und ich sowieso in 5 Minuten weg muss.
Klar, es gelingt mir nicht immer.
Aber ich gebe mir Mühe.

Und ich versuche, Zeit mit anderen Menschen ganz bewusst zu erleben. Es sind nicht einfach nur "Termine". Sondern es sind Begegnungen.

Die beste Definition von sinnvolller Zeitnutzung ist für mich immer noch die Überlegung: An was erinnere ich mich dereinst auf dem Sterbebett?
An PC-Programme?
An Projekte?
An Autos, Maschinen, Werkzeug?

Nein. Niemals.

Es werden Menschen sein, Zeit mit Menschen und irgend welche kleinen Begebenheiten mit diesen lieben Menschen
.
Keine grossen Feste.
Keine riesengrossen Ausflüge.
Es werden immer nur die kleinen Feinheiten und Begegnungen sein, an die ich mich erinnern werde.

Und fast hätte ich es vergessen: Die Kätzchen.




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